Hendrik Haverkamp
Selbstbewertung durch Schülerinnen und Schüler bei Klassenarbeiten und Klausuren
Schülerinnen und Schüler sind es gewohnt, dass Klassenarbeiten und Klausuren ganz selbstverständlich von den unterrichtenden Lehrkräften korrigiert und bewertet werden. Die Selbsteinschätzung und Selbstbewertung wird zwar als wichtige Kompetenz bei Schüler:innen von Lehrpersonen angesehen, Anwendung finden diese Methoden jedoch meist nur im Unterricht und nicht in Prüfungssituationen.
In der Session möchte ich mit euch über Möglichkeiten der Selbstbewertung durch Schüler:innen bei zeitgemäßen Prüfungsformaten ins Gespräch kommen. An einem praktischen Beispiel soll gezeigt werden, worin die Chancen und Grenzen einer Selbst- und Fremdbewertung liegen.
Ich bin Mitglied im Institut für zeitgemäße Prüfungskultur und Koordinator für Digitalität am Evangelisch Stiftischem Gymnasium Gütersloh und Lehrer für die Fächer Deutsch und Sport.
Um was ging es in dieser Session?
💬 Sessiontitel: Selbstbewertung durch Schülerinnen und Schüler bei Klassenarbeiten und Klausuren
🕯Impulse/Probleme/Erfahrungen🔦
- keine Einigung auf Noten
- Kriterien vorher klar absprechen: Kriterienraster, das mit SuS gemeinsam erstellt wurde
- Bewertung: Produkt, Erörterung
- SuS bewerten anhand des Kriterienrasters zunächst ihr eigenes Produkt, LuL bewertet Produkt, Mit-SuS bewerten Produkt–> anschließend: offener Austausch
- Note wurde dialogisch festgelegt
- Methodische Kompetenz muss vorab geklärt werden – und ggfs erarbeitet werden (SuS haben in diesem Fall Erfahrung mit Powerpoint seit Klasse 7, digitales Endgerät ab Klasse 7 vorhanden)
- Technische Voraussetzungen müssen stimmen: Geräte, Programme, Internetzugang etc, Powerpoint, Papyrus Autor (https://www.papyrus.de/)
- Kriterien für alternatives Prüfungsformat über „Schieberegler“ (siehe Link)
🤔 Wesentliche Fragen
- Was ist, wenn man sich nicht auf eine Note einigen kann? Zählt das Schüler:innenwort/Lehrer:innenwort??
- Wie rechtfertigt man die partizipative Notengebung ggü. Eltern, Kolleg*innen und Schulleitung?
- Wie werden individuelle Leistungen bewertet? Oder soll es einen Standard geben?
- Wie kann die erarbeitete Leistung dann im Zeugnis widergespiegelt werden?
- Technische Voraussetzungen und häusliche Unterstützung sind unterschiedlich – wie kann man damit umgehen?
- Welche Möglichkeiten gibt es, solche Ideen auch für SuS, die DaZ besuchen, umsetzen zu können?
- Warum muss für so ein tolles Produkt eine Note gegeben werden? Wäre nicht auch eine Alternative dazu denkbar, z. B. in Form eines Kompetenzrasters, was das Können abbildet und nicht das „Nicht-Können“?
- Verstehe ich das richtig, dass die SuS im Endeffekt das Thema der Erörterung während der Auseinandersetzung mit der Thematik an sich erarbeiten? Wieviel Input ist vorab schon gelaufen (Medienkompetenz/Aufgabenformat)?
- Wie sieht der zeitliche Rahmen bei euch aus?
- Wenn man selbst „Kochrezepte“ für eine Erörterung erstellt, was ja im Grunde auch der Hauptkritikpunkt am Format ist, wie kann man das für eine Reflexion des Problems nutzen?
- Das ist wirklich eine besondere Lernleistung – falls es in jedem Fach stattfinden sollte extrem anspruchsvoll!
- Wie wurden die tollen Bilder erstellt? Mit welcher Software?
- Wie wurden die Bewertungskriterien gemeinsam erarbeitet? II
- Was ist mit den schwächeren Schülerinnen und Schülern? Oder mit denjenigen, die technisch noch ganz viel Luft nach oben haben. +1
- wie oder wann wurden die 20 minütigen Reflexionsgespräche gehalten … in der Unterrichtszeit? Und die Erörterung selber? daheim oder in der Schule in der Unterrichtszeit? Waren die Noten besser?
- Wie erfolgte die technische Vorbereitung? Zusätzliche Medienstunden?
- Kann man so denn wirklich jede/n SuS „mitnehmen“? Klar, es gibt sehr engagierte, aber es gibt ja auch genug, die sagen „Keine Ahnung“… und die gewitzt genug sind, sich eine externe Hilfe zu besorgen
- Haben die Schülerinnen und Schüler nicht sehr viel mehr Zeit aufgebracht, als es bei einer „normalen“ Erörterung gewesen wäre? (Nina: Meine Erfahrung: garantiert; es dauert immer länger und ist mehr Aufwand, solche alternativen Formen zu bearbeiten; ABER: es ist immer mit mehr Motivation und auch Lernerfolg verbunden 😉)
- Hat jemand Ideen zur Umsetzung in anderen Fächern? Diskussion zum Thema Sterbehilfe gestalten. Im Fach Ethik bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten- wie sieht es mit MINT-Fächern aus? (Physik – Kernenergie…)
- Umgang mit Nichtabgaben durch bsp.w technische Probleme? –> Nachschreibearbeiten – vorab auf Wichtigkeit der Datensicherung hinweisen
- Ist das Nachgespräch auch in die Benotung eingeflossen?
- Wie viel Zeit stand den S zur Verfügung? Wie viel Zeit benötigst du für die Gespräche mit den S?
💡Ideen/Ansätze
- SuS bewerten sich selbst – „Was ist eine gerechte Note?“
- SuS wählen eigenes Thema bei der Erörterung anhand der Vorlage „Enkelkinder-Briefe“ (http://web.archive.org/web/20210930003358/https://www.enkelkinderbriefe.de/)
- Ausgangspunkt für die Klassenarbeit: Programmierte Seite
- Produkt: zum Beispiel eine PPP mit entsprechenden Hyperlinks, durch die man sich hindurchklicken kann
- Reflexionsgespräche bzgl. Endprodukt
- App „Papyrusautor“ für sprachliche Überarbeitung verwenden / Alternative: LanguageTool (Web)
- Themen werden selbst gesucht, im Plenum
- Feedbackgespräche im Anschluss an den Unterricht am Nachmittag (anstatt Hausaufgaben)
- Bewertungsgespräche auf Basis Kriterienrasters lassen sich auch mit traditionellen Prüfungsprodukten kombinieren
- Textregenerierung entspricht in etwa 90 Minuten – unabhängig von der Produkterstellung, daher in „Grauzone“ zur Erstellung der Klassenarbeit
🚩 Ziele – Visionen 🔭
- SuS erklären eigenen Entscheidungen und Überlegungen in Bewertungsgespräch – reflektieren eigene Arbeit mehrfach
- Sus sind in der Lage, Lernprodukte anderer sehr ausgewogene und inhaltlich konkret „zu bewerten“, sind zunächst total überrascht und überfordert, mit eingebunden zu sein – danach berichten diese aber ganz begeistert von der Einbindung
- Multiperspektivität, da die Themen von allen Seiten beleuchtet werden.
- freie Themenwahl der SuS ermöglicht arbeiten gemäß Interessen (z.B. Gendern, Hygieneartikel kostenlos etc.)
- Prüfungsformat wird ausprobiert und im Nachgang der Fachschaft vorgestellt (Weiterentwicklung, Adaption, …)
💻 Links – Literaturhinweise 📚
- https://1drv.m5s/b/s!AtQT-natn6cOlRYbq2gek5xbg1fL?e=n7fCHL (Schieberegler zum Projekt) funktioniert nicht 😫 Ich kontrolliere die Links noch später (Hendrik)